Forensic Architecture arbeiten in London, UK

Cloud Studies [Wolkenstudien, 2021], Akademie der Künste, Hanseatenweg

Aufgewirbelt von Staatsmächten und Konzernen kolonisieren toxische Wolken die Luft, die wir atmen – in unterschiedlicher Intensität und Dauer. Repressive Regime setzen Tränengas ein, um demokratischen Protest von den Straßenkreuzungen der Stadt zu vertreiben. Die krebserregenden Dämpfe der petrochemischen Industrie legen sich über rassifizierte Communitys. Chemikalien in der Luft – Chlor, weißer Phosphor, Herbizide – werden als Waffen eingesetzt, um Menschen zu terrorisieren und zu vertreiben. Waldbrände in den Tropen verändern die meteorologischen Bedingungen auf den Kontinenten, zwingen Millionen, giftige Luft zu atmen.

1

Forensic Architecture, Cloud Studies, [Wolkenstudien], 2021, 2-Kanal-Videoinstallation, Farbe, Ton, 26′08′′, Videostill © Forensic Architecture

Das Grundprinzip der Forensik lautet, dass auf festen Gegenständen „jeder Kontakt Spuren hinterlässt“. Wolken dagegen sind der Inbegriff der Flüchtigkeit. Ihre Dynamik unterliegt einer nicht-linearen, multikausalen Logik. Die Geschichte der Malerei belegt das, zieht doch die Wolke immer schneller, als sich der Pinsel auf der Leinwand bewegt. Die Wolke kann nie im Bild festgehalten werden. Sie ist immer Produkt unserer Fantasie.

Wolken erscheinen in doppelter Ansicht: von außen betrachtet als messbare Objekte, in ihrem Innern als optisch verschwommen und atmosphärisch obskur. Die Wolken von heute sind Umwelt und Politik. Ihr toxischer Nebel ist von tödlichem Zweifel umhüllt. Wenn Gewalt geleugnet und verschleiert wird, potenziert sich ihre Wirkung. Und wir, die wir in diesen Giftwolken leben, müssen neue Wege des Widerstands finden.

2

Forensic Architecture, Cloud Studies, [Wolkenstudien], 2021, 2-Kanal-Videoinstallation, Farbe, Ton, 26′08′′, Videostill © Forensic Architecture

Forensic Architecture: Eyal Weizman, Samaneh Moafi, Imani Jacqueline Brown, Sarah Nankivell, Mark Nieto, Maksym Rokmaniko, Christina Varvia, Francesco Sebregondi, Shourideh C. Molavi, Stefan Laxness, Grace Quah, Jason Men, Nichola Czyz, Nabil Ahmed, Paulo Tavares, Olukoye Akinkugbe, Lola Conte, Robert Trafford, Ariel Caine, Manuel Correa, Sabine Saba, Omar Ferwati, Martyna Marciniak, Sanjana Varghese, Ayana Enomoto-Hurst, Ana Lopez Sanchez-Vegazo, Caterina Selva, Jacob Bertilsson, Nicholas Zembashi, Nicholas Masterton, Tom James, Giovanna Reder, Tamara Z. Jamil, Lachlan Kermode, Alican Aktürk, Ronni Winkler, Robert Krawczyk, Will Scarfone, Nick Axel, Camila E. Sotomayor, Vere Van Gool, Jacob Burns, Hania Halabi, Gustav A. Toftgaard, Nathan Su, Rosario Güiraldes, Susan Schuppli, Ana Naomi de Sousa, Kishan San, Mhamad Safa, Dimitra Andritsou, Sergio Beltrán-García, Dorette Panagiotopoulou, Elizabeth Breiner.

Center for Spatial Technologies & Forensic Architecture

Center for Spatial Technologies arbeiten in Kiew, UA, und Berlin, DE

Russian Strike on the Kyiv TV Tower [Russischer Angriff auf den Fernsehturm Kiew, 2022], Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin

Der Raketenangriff auf den Fernsehturm in Kiew am 1. März 2022, dem sechsten Tag des russischen Einmarsches in die Ukraine, hat eine Reihe schrecklicher Erinnerungen wachgerufen. Die Einschläge erfolgten in unmittelbarer Nähe von Babyn Yar, dem Schauplatz eines der größten Massenmorde des Holocaust, und wurden in aller Welt verurteilt. Die ukrainische Gruppe Center for Spatial Technologies und Forensic Architecture haben daraufhin Dutzende Videos, Landkarten und Archivmaterialien gesichtet. Dabei ging es ihnen nicht nur darum, die Folgen des Beschusses für die Medien- und Kommunikationsnetze zu untersuchen, sondern auch um dessen Auswirkungen auf das komplexe Geflecht geschichtlicher Bezüge und verdrängter Erinnerungen. Im Laufe der deutschen Besatzung Kiews zwischen 1941 und 1943 wurden in Babyn Yar zehntausende Menschen ermordet: Jüdinnen und Juden, ukrainische politische Häftlinge, Sinti:zze und Roma:nja, sowjetische Kriegsgefangene und Patient:innen einer psychiatrischen Klinik. Die auf der langjährigen Arbeit des Center for Spatial Technologies für das Babyn Yar Holocaust Memorial Center aufbauende Untersuchung betrachtet die auf den Fernsehturm abgefeuerten Geschosse als Sonden, die in tiefere historische Schichten vordringen und den gegenwärtigen Krieg mit der Vergangenheit dieses Ortes in Verbindung bringen.

3

Forensic Architecture und Center for Spatial Technologies, Russian Attack on the Kyiv TV Tower [Russischer Angriff auf den Fernsehturm in Kiew], 2022, Video, Farbe, Ton, 9′26′′, Videostill, das die Auswirkungen der russischen Raketeneinschläge zeigt © Forensic Architecture and Center for Spatial Technologies

Ausstellungen

Three Doors, 2022, Frankfurter Kunstverein, Frankfurt/Main (DE)

Cloud Studies, 2021, VISUAL Carlow, Carlow (IR) und The Whitworth Art Gallery, University of Manchester, Manchester (UK) (solo)

Critical Zones, 2020, ZKM | Zentrum für Kunst und Medien, Karlsruhe (DE)

Triple-Chaser, 2019, Whitney Museum of American Art, New York City (US)

Looking and Showing, 2019, Invisible Institute, Chicago (US) und Chicago Architecture Biennial, Chicago (US)

Centre for Contemporary Nature, 2019, Ujazdowski Castle – Centre for Contemporary Art, Warschau (PL)

The Long Duration of a Split Second – Turner Prize 2018, 2018, Tate Britain, London (UK)

documenta 14, 2017, Neue Galerie, Kassel (DE)

Counter Investigations, 2018, ICA – Institute of Contemporary Arts, London (UK) (solo)