Whose Universal? Der Moderne liegt ein fundamentales Paradox zugrunde. Eine Konferenz zu humanistischen Idealen und kolonialer Realität

  • 2.7.2022 Samstag 15 — 20.15 Uhr
  • 3.7.2022 Sonntag 15 — 20 Uhr

Akademie der Künste, Hanseatenweg
Hanseatenweg 10, 10557 Berlin

Englisch, mit Simultanübersetzung ins Deutsche
Videos der Konferenz sind hier verfügbar.
Der Livestream wurde von der Berliner Hochschule für Technik (BHT) konzipiert und realisiert.

Während die Revolutionen der Moderne für sich in Anspruch nahmen, für die Abschaffung von Klassen-, Kasten-, Rang- oder Statusunterschieden zu kämpfen, ist die Moderne auch die Epoche, die das Konzept rassistischer Differenzierung eingeführt hat. Eine Reihe von widersprüchlichen Behauptungen – alle Menschen sind gleich; einige Menschen können „rechtmäßig besessen“ werden – wird gewöhnlich als der Todeskampf einer vormodernen Ordnung abgetan. Aber Race und Rassismus sind, anders als Fremdenfeindlichkeit oder Sektarismus, eindeutig Ideen der Moderne. (1) Der Rassismus ist keine Abweichung von den universalistischen Idealen der Aufklärung; er ist in deren Kulturtechniken eingebettet.

Whose Universal? setzt die Bereitschaft voraus, sich mit der strukturbildenden Rolle von Rassismus in der westlichen Epistemologie auseinanderzusetzen. Andernfalls schaffen Appelle an universelle Werte und Prinzipien – wie „all lives matter“ –, deren strukturelle Widersprüche nur eine unvollständige oder verzerrte Kritik des Kapitalismus ermöglichen, auch in Zukunft zweifelhafte Räume, in denen der öffentliche Diskurs in Richtung Faschismus gelenkt werden kann.

Die Konferenz folgt zwei miteinander verwobenen Strängen. War Economies untersucht die Verstrickungen von Krieg, kolonialen Grenzen und Verschuldung, um das Zusammenspiel von souveräner Macht und Monopolkapitalismus zu beleuchten. Das Ziel von Aesthetic Currencies ist zum einen, das Erhabene und verwandte ästhetische Kategorien wie das Exotische oder Groteske von ihrer ursprünglichen, nachaufklärerischen Tradition zu lösen – einer Geschichte ästhetischer Ideen, die vorgeblich ohne grundlegende schmutzige Verstrickungen an Orten imperialer Extraktion oder Expansion existieren. Zum anderen wird das verstörende Verschmelzen von verkörperter und inkulturierter Erfahrung untersucht, das der Diskurs über philosophische Ästhetik mit sich bringt.

1 Andrew Valls, (Hg.), Race and Racism in Modern Philosophy, Ithaca 2005, S. 1.

Whose Universal? ist die vierte Ausgabe einer Reihe von Konferenzen zur theoretischen Erörterung der unzureichend verstandenen Beziehung zwischen Siedlerkolonialismus und Faschismus. Zur Diskussion stehen die verschiedenen Facetten des vom Sozialtheoretiker Nikhil Pal Singh beschriebenen „Nachlebens des Faschismus“ sowie deren Affektstrukturen. Die vorherigen Editionen der Serie fanden in La Colonie, Paris, (The White West I und The White West II) und der Kunsthalle Wien (The White West III) statt.

Kuratiert von: Ana Teixeira Pinto und Anselm Franke
Organisiert vom Haus der Kulturen der Welt (HKW) in Kooperation mit der 12. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst

Diese Konferenz ist Teil des Diskursprogramms der 12. Berlin Biennale. Ausgehend von der Restitutionsdebatte untersucht es, wie Kolonialismus und Imperialismus in der Gegenwart fortwirken.

Whose Universal?

Tag 1

Samstag, 2.7.2022

15 Uhr

Begrüßung und Einführung mit Ana Teixeira Pinto und Anselm Franke

15:30 Uhr

Keynote: The Specificity of Modern Imperialism

Mit

Prabhat Patnaik

Utsa Patnaik

Im Gegensatz zu allen früheren Formen des Imperialismus wird seine moderne Form von den Erfordernissen der vorherrschenden Produktionsweise, dem Kapitalismus, angetrieben, was seinem Wesen nach bedeutet, dass: a) keine „leeren Räume“ außerhalb des Imperialismus bleiben, b) alle anderen Produktionsweisen entweder zerstört oder untergraben werden, c) dies zwangsläufig und parallel zum Wachstum des Reichtums zu einer wachsenden Verarmung der Menschen in einem Teil der Welt führt.

16:30–17 Uhr

Pause

17 Uhr

Vortrag: Poetic Deproduction

Mit

Kerstin Stakemeier

In diesem Vortrag wird die Bildsprache des Symbolismus des späten 19. Jahrhunderts daraufhin untersucht, ob sie als Vorlage dienen kann, um das europäische Subjekt der Moderne seinen rechtmäßigen Toden zuzuführen. Kerstin Stakemeier plädiert für poetische Formen der Auslieferung und Erschöpfung und stützt sich dabei auf die Werke von Dichter:innen und Künstler:nnen; Ligia Lewis, MYSTI, Verity Spott, Emily Wardill.

17:30 Uhr

Vortrag: Black Light. On the Origin and Materiality of the Image

Mit

Zakiyyah Iman Jackson

Ästhesie ist eine politische Angelegenheit, denn Schwarze Menschen haben oft gegen eine Darstellungsweise angekämpft, die Schwarzsein als bloße Abwesenheit oder Mangel mythologisiert. Mit besonderem Augenmerk auf Faith Ringgolds Serie American People, Black Light zeigt dieser Vortrag, dass die Idee der „Schwarzen Frau“ bei der Vermittlung des Verhältnisses zwischen Abstraktion und Figuration von zentraler Bedeutung ist. Blackness wird als unermesslich, multidimensional und als eigenständige Lichtquelle neu verhandelt.

18–18:15 Uhr

Pause

18:15 Uhr

Vortrag: Whose Imaginary? The Question of World-Making

Mit

Sladja Blažan

Das fehlende Engagement für postkoloniale und Indigene Perspektiven hat zu einem Diskurs über das Anthropozän geführt, der eine ursprüngliche Krise inszeniert, anstatt die historische Kontinuität von Enteignungen, Katastrophen und Tragödien zu betonen, die durch imperiale Projekte verursacht wurden. Dieser Vortrag erörtert einige epistemologische und ontologische Herausforderungen, die dieser Ausschluss mit sich bringt, und schafft Raum für Stimmen, die die Notwendigkeit anerkennen, sich andere Zukünfte vorzustellen, um schließlich „die Gegenwart anders zu sehen und zu machen“ (Alison Kafer, Feminist, Queer, Crip).

18:45 Uhr

Vortrag: Françoise Vergès

Mit

Françoise Vergès

19:15–20:15 Uhr

Panel: Françoise Vergès, Kerstin Stakemeier, Sladja Blažan, Zakiyyah Iman Jackson, Moderation: Ana Teixeira Pinto und Anselm Franke

Mit

Françoise Vergès

Kerstin Stakemeier

Zakiyyah Iman Jackson

Sladja Blažan

Moderation

Ana Teixeira Pinto

Tag 2

Sonntag, 3.7.2022

15 Uhr

Vortrag: Harvests of Springs. Retrospective and Prospective Considerations of the Arab Springs

Mit

Rasha Salti

Ein Jahrzehnt nach ihrem Ausbruch scheinen die Revolutionen, die als „Arabischer Frühling“ bezeichnet wurden, Verzweiflung auszulösen, denn es herrschen aggressivere Diktatoren, es toben verheerende Bürgerkriege und es drohen gefährliche Sackgassen. Einige Sozialwissenschaftler:innen haben die Revolutionen zu Aufständen herabgestuft. Während die politischen Landschaften ein Scheitern vermitteln, zeugen die kulturellen vom genauen Gegenteil. Vielleicht ist es sinnvoll, die universalistische Theorie der Revolutionen neu zu denken.

15:30 Uhr

Vortrag: Real Narratives and Real Struggle

Mit

Max Jorge Hinderer Cruz

Welches Verhältnis besteht zwischen politischen Befreiungskämpfen und der Kultur als Instrument der Identitätsbildung? Ausgehend von der spezifischen Erfahrung einer politischen Verfassung des Plurinationalen Staates Bolivien lenkt diese Präsentation Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dass große historische Kämpfe zur Befreiung oder Dekolonisierung immer gleichzeitig auch Kämpfe um die Vorherrschaft über Narrative waren.

16 Uhr

Vortrag: Rematerialisations

Mit

Katrine Dirckinck-Holmfeld

Die Präsentation arbeitet die Nachwirkungen des künstlerischen Happenings der Anonymen Künstler:innen an der Königliche Akademie der Schönen Künste in Dänemark 2020 auf. Bei diesem wurde eine aus Gips gegossene, kopierte Büste von Frederik V. im Kopenhagener Hafen versenkt. Frederik V. gründete die Kunstakademie im selben Jahr, in dem er die Asiatische Kompanie und die Westindisch-Guineische Kompanie kaufte, und verband so die Entstehung dieser Kunstinstitution in Dänemark direkt mit der Versklavung und Unterdrückung von Menschen und der Ausbeutung von Ressourcen in den Kolonien. Das friedliche Happening löste massive weiße Wut und Hassreden aus und ist langfristig in den Medien präsent. In Anlehnung an die Arbeit von bell hooks stellt diese Präsentation die Frage, wie die Kunstausbildung in einem solchen Umfeld als eine befreiende Praxis zu verstehen ist.

16:30 Uhr

Panel: Rasha Salti, Max Jorge Hinderer Cruz, Katrine Dirckinck-Holmfeld, Moderation: Darla Migan

Mit

Rasha Salti

Max Jorge Hinderer Cruz

Katrine Dirckinck-Holmfeld

Moderation

Darla Migan

17–17:30 Uhr

Pause

17:30 Uhr

Vortrag: A. Dirk Moses

Mit

A. Dirk Moses

18 Uhr

Vortrag: Political Consciousness of the Peripheries

Mit

Siraj Ahmed

Dieser Beitrag spannt den Bogen von Hannah Arendt zum Hungerstreik, von den Elementen und Ursprüngen totaler Herrschaft bis zur globalen Peripherie, um zu verstehen, welche radikal andere Bedeutung westliche Ideale wie Befreiung und Souveränität heute in den Peripherien haben.

18:30 Uhr

Gespräch mit Priyamvada Gopal und Anselm Franke

Mit

Priyamvada Gopal

19–20 Uhr

Panel: A. Dirk Moses, Priyamvada Gopal, Siraj Ahmed, Moderation: Ana Teixeira Pinto und Anselm Franke

Mit

A. Dirk Moses

Priyamvada Gopal

Siraj Ahmed

Moderation

Ana Teixeira Pinto