Xaraasi Xanne [Crossing Voices / Überkreuzende Stimmen]

  • 1.9.2022 Donnerstag 20 Uhr

Babylon
Rosa-Luxemburg-Straße 30, 10178 Berlin

Saal 2

Eintritt frei

Tickets sind an der Abendkasse erhältlich.

Im Anschluss an die Filmvorführung findet ein Gespräch in englischer Sprache mit Raphaël Grisey und Kader Attia (Kurator der 12. Berlin Biennale) statt.

Regie: Bouba Touré und Raphaël Grisey (FR/DE/ML), 2022, 123′′, auf Soninké, Französisch, Bambara und Fulfulde mit englischen Untertiteln

Eine Gruppe von Aktivist:innen der westafrikanischen Diaspora, die aus einer landwirtschaftlichen Tradition kommen und in Pariser Arbeiter:innenwohnheimen leben, beschließen Mitte der 1970er-Jahre, der Fabrikarbeit den Rücken zu kehren, um bei französischen Bauern in der Champagne eine Ausbildung zu absolvieren. Ihr Ziel ist die Gründung einer landwirtschaftlichen Kooperative in einem Land der Sahelzone in Westafrika. Im Dezember 1976 gründet die Gruppe die landwirtschaftliche Genossenschaft Somankidi Coura in der Region Kayes in Mali. Unter Verwendung seltener Film-, Foto- und Tonarchive von Bouba Touré verknüpft Crossing Voices die Geschichte von Somankidi Coura mit den Kämpfen afrikanischer Migrant:innen ohne Papiere in Frankreich. Die Rückkehr einer Gruppe in ihr Heimatland folgt einem verschlungenen Weg, der durch die ökologischen Herausforderungen und Konflikte auf dem afrikanischen Kontinent von den 1970er-Jahren bis in die Gegenwart führt. Raphaël Grisey begleitete Bouba Touré, einen der zentralen Protagonisten des Films, bei der Durchsicht seines persönlichen Archivs, das er seit Anfang der 1970er-Jahre zusammengetragen hat. Darüber hinaus ist der Film ein Akt der Überlieferung und der Verbundenheit. Im weiteren Verlauf des Films treten verschiedene Stimmen in die Klanglandschaft ein, um Bouba Tourés Stimme zu begleiten; sie bringen die Geschichte einer vergessenen Erinnerung in eine mögliche Zukunft, gesungen von einem elektronischen Griot-Erzähler.

Bouba Touré (1948–2022) lebte in Paris, FR, und Somankidi Coura, ML. Er studierte an der Universität Paris VIII, Saint-Denis, und arbeitete als Filmvorführer im Cinema 14 Juillet und im L’entrepôt, Paris. In den 1970er-Jahren dokumentierte er das Leben und die Kämpfe von Wanderarbeiter:innen und Bauern in Frankreich und Mali und war 1977 Mitbegründer der Kooperative von Somankidi Coura. Tourés fotografisches Werk wurde unter anderem bei den Bamako Encounters 2019 und bei der 8. Triennale der Photographie Hamburg 2022 präsentiert.

Raphaël Grisey verwendet filmische, redaktionelle und fotografische Formate, um sich mit der Politik von Gedächtnis, Architektur, Migration und Agrarkultur auseinanderzusetzen. Das Buch Wo versteckt sich Rosa L. (2001–2004) und der Film National Motives (2011) untersuchen die Gespenster verschiedener politischer Regime im öffentlichen Raum von Berlin und Budapest. Durch verschiedene dokumentarische, fiktionale oder essayistische Formen beschäftigen sich Griseys Filme und Installationen mit neokolonialer Raumpolitik und dekolonialen Erzählungen und Praktiken in der Landwirtschaft und im urbanen Raum (Trappes, Ville Nouvelle, 2003; Cooperative, 2008 und Sowing Somankidi Coura, a Generative Archive, 2015, in Zusammenarbeit mit Bouba Touré). Mit Florence Lazar arbeitete er an den Filmen Prvi Deo und Red Star (beide 2006), die sich mit der Justiz im ehemaligen Jugoslawien der Nachkriegszeit beschäftigen. Weitere Filmprojekte entstanden in Frankreich inmitten von Student:innenstreiks (The Indians, 2011), in China unter den Míngōng-Bauern (The Exchange of Perspectives, 2011), im sozialen Wohnkomplex von Pedregulho in Brasilien (Minhocão, 2011), in der Positivistischen Kirche Brasiliens in Rio de Janeiro (Amor e Progresso, 2014) und um die Quilombola-Gemeinschaften in Minas Gerais (Remanescentes und A Mina dos Vagalumes, beide 2015).