Programm
Recovering Features. Necessità dei volti – 5th Extension
Das Informal Collective on Western Sahara ist eine heterogene Gruppe und fließende Konstellation von Forscher:innen und Praktiker:innen unterschiedlicher Herkunft, die sich für die Beziehung zwischen Bildern und Konflikten in Prozessen der Dekolonisierung interessieren. Seit 1998 befasst sich das Kollektiv mit Fotografien und Videomaterial aus der Westsahara und den besetzten Gebieten sowie mit deren Verwendung im Westsaharakonflikt.
KW Institute for Contemporary Art (4. Stock)
Auguststraße 69, 10117 Berlin
Englisch
Besuch nur nach Voranmeldung: conference@berlinbiennale.de, der Eintritt ist frei.
Westsahara, 1975–91. Ein Stapel Fotografien im Sand der algerischen Wüste (vom Feind aufgenommene Fotos). Ein Krieg, der von denen, die ihn begonnen haben, verschwiegen wird (von Rabat verhängte Zensur). Zwei Völker gegeneinander, trauernd und bewaffnet (Nachbarn, einander fremd geworden durch Krieg und Exil). Eine unerwartete Geste des Bewahrens verwandelt diesen Stapel und das, „was nicht passiert ist“, in einen Spiegel für beide. Eine Geste, die die Möglichkeit eröffnet, mit dem Feind zu sprechen, ihm zuzuhören. Ihn sogar anzusehen. Der Versuch, eine Beziehung von vorn aufzubauen, ganz direkt, von Familie zu Familie. Anfangs langsam, dann schneller, nachdem sich der Konflikt gelegt hat und die Freiheit kommt. Genauer gesagt, sobald der Stapel an diejenigen zurückgegeben wird, die darin abgebildet sind – an diejenigen, die die Porträtfotos gemacht und geliebt haben.
Eine besetzte Region Afrikas, von der Welt abgeschottet, wo die Stimmen und Fotografien der Besetzten tabu sind. Eine improvisierte Handlung, aus dem Verborgenen ins Öffentliche, verwandelt das „Ungesehene“ in ein Dokument der sahrauischen Gegenwart. Das Dunkle wird beleuchtet, die Zensur umgangen (auf den Straßen, in den Gefängnissen, in den Gerichtssälen) – der Widerstand gegen das Militär ist friedlich, aber nicht still. Noch mehr Fotografien und Videos, die beweisen, dass die Grenze zwischen der Unsichtbarkeit und ihrem Gegenteil ein Ort sein kann, der Auflehnung begünstigt. Jene, die sich gegen die Kolonie erheben, haben viele Stimmen, um der Welt von sich zu berichten. Stimmen, hörbar gemacht durch kleine, einfache, erschwingliche Dinge, um sich des alltäglichen Schicksals zu erwehren.
Das ist die Geschichte von Necessità dei Volti [Die Notwendigkeit von Gesichtern] und Vedere L’occupazione [Die Besatzung betrachten], zwei Projekten des Informal Collective on Western Sahara, die während der 12. Berlin Biennale in der 5. Auflage durchgeführt werden. Im Rahmen der Biennale: ein ins Deutsche übersetztes Tagebuch der Schriftstellerin Fabrizia Ramondino, Workshops und Präsentationen mit denjenigen, die wissen, wie diese Kriegsfotografien entstanden sind (und wie sie in der Zukunft zurückgegeben werden können), mit denjenigen, die die Besatzung ablehnen und ihr Leben riskieren (auf beiden Seiten der Grenze), mit Büchern und Filmen, die zur Lektüre und zum Ansehen bereitstehen. Außerhalb der Biennale: Begegnungen in Privatwohnungen, um eines der zwanzig Exemplare des Buches Necessità dei Volti und andere Veröffentlichungen anzusehen.
Öffentliche Begegnung: Ein dialogisches Verfahren
Diese als öffentliche Begegnung konzipierte Veranstaltung verfolgt einen experimentellen und kollaborativen Ansatz zur Auseinandersetzung mit dem Westsaharakonflikt und mit Fragen rund um die Bildpraktiken der Saharauis.
Der öffentlichen Begegnung am 19. August 2022 gehen zwei Tage privater Begegnungen zwischen der Arbeitsgruppe und eingeladenen Teilnehmer:innen voraus, die eine Vielzahl von Praxen, Diskursen und Subjektpositionen vertreten. Diese dienen als Grundlage für das anschließende Gespräch.
Darüber hinaus steht über zwei Wochen hinweg das Buch Necessità dei volti in einer Berliner Privatwohnung zur Einsicht bereit. Der Besuch ist nach Terminvereinbarung möglich: conference@berlinbiennale.de.
Kuratiert vom
Informal Collective on Western Sahara
Mit
Ali Lmrabet
Francesco Correale
Mohamed Mayara
Sultana Khaya
Diese Präsentation ist Teil des Diskursprogramms der 12. Berlin Biennale. Ausgehend von der Restitutionsdebatte untersucht es, wie Kolonialismus und Imperialismus in der Gegenwart fortwirken.