Zuzanna Hertzberg lebt und arbeitet in Warschau, PL

 

Während ich diese Zeilen schreibe, schreitet der Krieg in der Ukraine immer weiter voran und zeigt einmal mehr, wie maskulin, wie gegendert dieser Konflikt ist und auch viele andere es sind. Zuzanna Hertzberg legt in ihrer Arbeit unter anderem die weiblichen Geschichten des jüdischen Aktivismus seit dem frühen 20. Jahrhundert frei. Seit nun schon einem Jahrzehnt baut sie ein präzise organisiertes und ergreifendes Archiv des weiblichen jüdischen Widerstands auf. Hertzbergs gründliche Recherchen werden von ihrer eigenen polnisch-jüdischen Identität grundiert, von ihrem intersektionalen anarchofeministischen Engagement, ihrem Interesse an Performance, Artivismus, übersehenen Narrativen und Minderheitenperspektiven und von ihrer Beschäftigung mit den Problemen und blinden Flecken kollektiver Erinnerung. Sie hat Geschichten von Frauen gesammelt und zusammengetragen, die Widerstand geleistet haben, an die man sich aber nicht erinnert.

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Zuzanna Hertzberg, Mechitza. Individual and Organized Resistance of Women During the Holocaust [Mechitza. Individueller und organisierter Widerstand von Frauen während des Holocaust], 2019–22, Installationsansicht, 12. Berlin Biennale, KW Institute for Contemporary Art, 11.6.–18.9.2022, Foto: Silke Briel

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Zuzanna Hertzberg, Performance im Rahmen des Kunstwerks Mechitza. Women Fighters of the Warsaw Ghetto Uprisings [Mechitza. Kämpferinnen der Aufstände im Warschauer Ghetto], 2019–22, 12. Berlin Biennale, KW Institute for Contemporary Art, 11.6.–18.9.2022, Foto: Silke Briel

Zur 12. Berlin Biennale präsentiert sie die Heldinnen der Ghettos und nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslager in Polen, der Ukraine, Belarus und Litauen. Sie hat die Geschichten dieser Frauen, deren damalige Strategien auch heute noch Gültigkeit besitzen, in die historische Narration Polens eingefügt. Wir sehen ihre Ausweise, von ihnen verfasste Texte und dazu ihre jungen Gesichter auf Fotografien gemeinsamer Versammlungen. Diese Dokumente sind auf großformatige Textilien gedruckt. Sie erinnern entfernt an Banner, Flaggen oder auch Vorhänge, eine Referenz an die Mechiza, die in orthodoxen Synagogen Frauen und Männer trennt, ebenso aber an die vielen Trennlinien, die sich durch Familien ziehen, durch Institutionen der Erziehung und der Politik oder an die Konstruktion geteilter Geschichte. Auf den Rückseiten dieser Textilien verzeichnen aufgedruckte Karten die Orte, an denen diese Frauen Widerstand geleistet haben. In ihren Installationen und selbstinitiierten Erinnerungszeremonien im öffentlichen Raum, die sie oft in früheren Synagogen oder Orten der Deportation abhält, wirbt Hertzberg für mehr Empathie und Gleichheit in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – und zwar für alle, unabhängig davon, als wer oder was sie sich selbst identifizieren.

 

Joanna Warsza

Ausstellungen

In the beginning was the deed!, 2021, Arsenal Gallery, Białystok (PL)

Difficult Pasts. Connected Worlds, 2020, Latvian National Museum of Art, Riga (LV)

Individual and Organized Resistance of Women during the Holocaust, POLIN – Museum of the History of Polish Jews, Warschau (PL)

Touch the Art, Ujazdowski Castle Centre for Contemporary Art, Warschau (PL)

Niepodległe: Women, Independence and National Discourse, 2018, Museum of Modern Art, Warschau (PL)