Tuấn Andrew Nguyễn lebt und arbeitet in Ho-Chi-Minh-Stadt, VN

 

Tuấn Andrew Nguyễn betreibt umfangreiche Recherchen und engagiert sich in Communitys, um eine wechselvolle Geschichte und Praxen der Gegenerinnerung zu erkunden. Auf der 12. Berlin Biennale zeigt Nguyễn die Arbeiten My Ailing Beliefs Can Cure Your Wretched Desires [Meine kränkelnden Überzeugungen können deine elenden Wünsche heilen, 2017] und The Specter of Ancestors Becoming [Die Gespenster werdender Ahn:innen, 2019]. Bei ersterer handelt es sich um eine Zweikanal-Videoinstallation, die den Beziehungen zwischen Mythologie, politischer Geschichte und dem einzigartigen Ökosystem Vietnams nachgeht. Das letzte Java-Nashorn, das 2010 der Wilderei zum Opfer fiel, erzählt hier eine Geschichte zusammen mit einer Schildkröte, die im 15. Jahrhundert als heilig galt und durch deren göttliches Schwert die chinesische Herrschaft beendet wurde. In dieser Geschichte kreuzen sich chinesischer Kolonialismus sowie die medizinischen Praktiken, die das Nashorn bedrohen, mit dem französischen Kolonialismus und dem Vietnamkrieg. Das Werk wirft drängende Fragen auf, die im Kontext Vietnams von besonderer Bedeutung sind, und schlägt angesichts des drohenden Klimakollapses eine dekoloniale Ökologie vor.

 

1

Tuấn Andrew Nguyễn, My Ailing Beliefs Can Cure Your Wretched Desires [Meine kränkelnden Überzeugungen können deine elenden Wünsche heilen], 2017, 2-Kanal-Videoinstallation, Farbe, 5.1 Surround-Sound, 18′51′′, Videostill, Courtesy James Cohan, New York © Tuấn Andrew Nguyễn

2

Tuấn Andrew Nguyễn, My Ailing Beliefs Can Cure Your Wretched Desires [Meine kränkelnden Überzeugungen können deine elenden Wünsche heilen], 2017, 2-Kanal-Videoinstallation, Farbe, 5.1 Surround-Sound, 18′51′′, Videostill, Courtesy James Cohan, New York © Tuấn Andrew Nguyễn

Die Arbeit The Specter of Ancestors Becoming entstand in Zusammenarbeit mit vietnamesisch-senegalesischen Communitys in Dakar und Malika und erkundet die komplexen Nachwirkungen des französischen Kolonialismus. Senegalesische Soldaten, sogenannte Tirailleure, gehörten zu den Truppen, die in Indochina eingesetzt wurden, um den vietnamesischen Aufstand gegen die französische Herrschaft niederzuschlagen. Viele von ihnen gingen Ehen ein und hatten Kinder mit vietnamesischen Frauen, mit denen sie nach dem Krieg nach Westafrika zurückkehrten. Andere Soldaten hingegen ließen ihre Frauen zurück und nahmen nur die Kinder mit, zogen sie in Senegal auf und beraubten sie so ihrer Wurzeln. Der Film richtet sein Augenmerk auf das Leben dreier solcher Familien, die alle ein Trauma teilen, das durch die Erfahrung von Rassismus ebenso wie von Kolonialismus geprägt ist. Zugleich zeigt er den Kampf vieler Communitys um die Bewahrung des kulturellen und generationenübergreifenden Wissens in der Diaspora. Doch das Erzählen solcher Geschichten wirkt auch therapeutisch und heilend, und zwar sowohl für die Generation, die Zeugin dieser Geschichte wurde, als auch für die dritte Generation dieser Kultur, die versucht, ihrer hybriden Identität einen Sinn zu verleihen.

Đỗ Tường Linh

3

Tuấn Andrew Nguyễn, The Specter of Ancestors Becoming [Die Gespenster werden Ahn:innen], 2019, Installationsansicht, 12. Berlin Biennale, Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin, 11.6.–18.9.2022, Foto: Laura Fiorio

Ausstellungen

Everyone Is an Artist: Cosmopolitical Exercises with Joseph Beuys, 2021, K20 – Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf (DE)

Stories of Resistance, 2021, Contemporary Art Museum St. Louis, St. Louis (US)

A Lotus in a Sea of Fire, 2020, James Cohan Gallery, New York City (US) (solo)

Manifesta 13: Traits d’union.s, 2020, Manifesta – The European Nomadic Biennial, Marseille (FR)

Letters from Saigon to Saigon, 2018, Asia Society Museum, New York City (US) (solo)