Taloi Havini lebt und arbeitet in Brisbane, AU

 

In Taloi Havinis Praxis stehen Ideen rund um die Produktion und den Transfer von Wissen im prä- und postkolonialen Melanesien im Mittelpunkt. Zentrale Elemente ihrer Arbeit sind Archivrecherche und Kollaboration sowie Nachforschungen zu ökonomischen und industriellen Narrativen, Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen, bei denen sie tiefe, bis in die Gegenwart hineinlaufende Bruchlinien freilegt.

Havini wurde in Arawa geboren, der früheren Hauptstadt der autonomen Region Bougainville im Pazifischen Ozean, und übersiedelte während des dortigen Bürgerkrieges (1988–98) mit ihrer Familie nach Australien. Ihre Filme, Fotografien, Klangarbeiten und Objekte reflektieren Themen des Exils und der Rückkehr, der gelebten Erfahrung sowie die matrilineare Bindung an spezielle Orte. Sie verwebt dabei das Persönliche mit dem Gemeinschaftlichen und rückt mündliche Überlieferung, Erinnerung, das Geschichtenerzählen sowie die Rolle von Sprache (insbesondere des Hakö) in den Vordergrund.

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Taloi Havini, Beroana (Shell money) IV [Beroana (Muschelgeld) IV], 2016, Installationsansicht, 12. Berlin Biennale, Akademie der Künste, Pariser Platz, 11.6.–18.9.2022, Foto: dotgain.info

Beroana (Shell Money) IV [Beroana (Muschelgeld) IV, 2016] bezieht sich auf ein altes System des Handels und Tausches, das in vielen Gegenden der Welt verbreitet ist, darunter auch auf den Inseln des Pazifik. Muschelgeld ist im Gegensatz zu einem Geldschein mehr als nur eine Währung. Es hat eine tiefgreifende historische und kulturelle Dimension, wird beispielsweise als Geschenk zur Geburt gereicht, bei Begräbnissen, zur Hochzeit sowie bei weiteren Feierlichkeiten, dient aber auch als Reparationszahlung. Bei der Produktion von Muschelgeld handelt es sich zudem um eine Arbeit, die von Frauen gemeinsam geleistet wird. Sie sind es, die die Muscheln schleifen und sie zu Ketten von großer Schönheit und Bedeutung auffädeln.

Auf spiralförmig von der Decke hängenden Drähten reiht Havini Hunderte aus glasiertem Steingut, Ton und Porzellan gefertigte Perlen, deren Farben zwischen erdigem Braun und Elfenbeinweiß changieren – eine Meditation in Genauigkeit, Wiederholung und Fürsorge. Zerbrechlich, aber bestimmt stellen Havinis Arbeiten das übliche Verständnis musealer Artefakte auf den Kopf und fordern stattdessen die fortwährende, lebendige Sozialität des gemeinschaftlichen Austausches ein.

Rachel Kent

Ausstellungen

This Language That is Every Stone, 2022, Institute of Modern Art, Brisbane (AU)

Un/Learning Australia, 2021, SeMA – Seoul Museum of Art, Seoul (KR)

Taloi Havini – Reclamation, 2020, Artspace Sydney, Sydney (AU) (solo)

Dhaka Art Summit: Seismic Movements, 2020, Samdani Art Foundation, Dhaka (BD)

Transits and Returns, 2019, Vancouver Art Gallery, Vancouver (CN)

Habitat, 2017, Palais de Tokyo, Paris (FR) (solo)