Sajjad Abbas

Sajjad Abbas hat seine Beteiligung an der 12. Berlin Biennale zurückgezogen. Mehr Information

Sajjad Abbas lebt und arbeitet in Bagdad, IQ

 

In einer öffentlichen Intervention von 2013 wandte sich Sajjad Abbas mit den Worten „Ich kann euch sehen“ an die Grüne Zone, die sich über zehn Quadratkilometer im Zentrum Bagdads entlang des Tigris erstreckt. Der Satz war auf die Wand des höchsten Gebäudes geschrieben, zu dem er Zugang bekam, unterhalb einer überdimensionalen Fotografie des Auges des Künstlers. Das als „Türkisches Haus“ bekannte Hochhaus liegt direkt an einer Hauptverkehrsstraße und an der geschützt hinter Betonmauern liegenden Grünen Zone. Während der Invasion und der Besatzung des Irak beherbergte diese Gegend von der US-Armee angeführte Koalitionskräfte. Kurz darauf zogen die weltgrößte und teuerste US-Botschaft, das Irakische Parlament und mehrere ausländische Büros und Firmenhauptsitze ein.

Abbas’ Blick war mehr als eine Verurteilung oder ein Aufruf zur Rechenschaft; er war eine unverhohlene Ablehnung der Dystopie des heutigen Bagdads, dem Produkt einer vorsätzlich katastrophalen Besatzung, die einer der korruptesten Regierungen aller Zeiten den Weg geebnet hat. Und beide, Besatzer:innen wie Regierung, waren und sind nicht bereit, selbst die lebensnotwendigsten Ressourcen wie Elektrizität, Wasser und Sicherheit außerhalb ihrer gut bewachten, klimatisierten Wände bereitzustellen. In den schlimmsten Jahren der Gewalt, die auf die Invasion folgte, als überall in der Stadt der Rauch von Bomben zu sehen war, blieb die Grüne Zone – ruhig, sicher, das Wasser des Tigris plätscherte am undurchdringlichen Ufer – unempfindlich gegenüber dem Schmerz der Stadt. Abbas’ Kunstwerk war sowohl eine voraussehende Abrechnung, als auch ein Akt der unerlaubten Übertretung. Per Anordnung wurde es schnellstens wieder entfernt.

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Sajjad Abbas, I Can See You [Ich kann euch sehen], 2013, Video, Farbe, Ton, 5′03′′; S/W-Bild im öffentlichen Raum, Videostill © Sajjad Abbas

Sechs Jahre nach seinem Entstehen wurde es während des historischen, von Jugendlichen angeführten irakischen Aufstandes von 2019 noch einmal angebracht. Die Protestierenden besetzten jedes Stockwerk und verlangten ein Ende der tödlichen nationalen und internationalen Ausbeutung, die sie ihrer zentralen Forderung beraubt hatte: eines Heimatlands. Seitdem sind fast tausend irakische Demonstrant:innen und Aktivist:innen getötet worden, viele von ihnen waren keine dreißig Jahre alt.

Rijin Sahakian

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Sajjad Abbas, I Can See You [Ich kann euch sehen], 2013, Video, Farbe, Ton, 5′03′′; S/W-Bild im öffentlichen Raum, Videostill © Sajjad Abbas

Ausstellungen

documenta fifteen, 2022, Fridericianum, Kassel (DE)

City Limits, 2017, Virginia Commonwealth University School of the Arts in Qatar, Doha (QA)

Eye Spy: The New Wight Biennial, 2016, Los Angeles (US)

Compassion Fatigue New Wight Biennial 2014, Broad Art Center, Los Angeles (US) und UCLA New Wight Gallery, Los Angeles (US)

Iraqi Superman, 2014/16, Maremetraggio ShorTS International Film Festival, Triest (IT)