Omer Fast lebt und arbeitet in Berlin, DE

 

Omer Fast bewegt sich mit seinen Filmen und Videos zwischen Realität und Fiktion, Dokumentation und Drama. Geschichten, die symbolisch die Machtstrukturen unserer Gegenwart offenlegen, erzählt er mit einem kinematografischen Blick, wobei persönliche Erinnerungen von Zeug:innen das Geschehene durchdringen.

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Omer Fast, A Place Which Is Ripe [Ein Ort, der reif ist], 2020, 3 synchronisierte Videos auf Mobiltelefonen in einer offenen Schublade, Farbe, Ton, Loop, 16′39′′; Büromöbel, Videostill © Omer Fast

Für A Place Which Is Ripe [Ein Ort, der reif ist, 2020] hat der Künstler zwei ehemalige Londoner Polizisten über ihren Beruf befragt: einen Super-Recognizer mit der Begabung, fast jedes Gesicht wiederzuerkennen, und seinen Vorgesetzten. Ihre Aussagen erklären, warum Großbritannien heute von Überwachungskameras übersät ist: Zwei berühmte Kindermorde – am zweijährigen James Bulger 1993 und an der 14-jährigen Alice Gross 2014 – konnten mithilfe von CCTVs aufgeklärt werden. Die Akzeptanz der Bevölkerung, flächendeckend Kameras einzusetzen, stieg daraufhin immens. Anders als in Deutschland, wohin der Vorgesetzte nach den Ereignissen am Kölner Dom an Silvester 2015 beordert wurde: Er staunte, als er am Bahnhof nur zwei Kameras sah – und erläutert, dass Handyaufnahmen zu etwa 200 Festnahmen geführt hätten. Braucht man also noch Überwachungskameras?

Die Beamten wurden von hinten gefilmt, ihre Gesichter bleiben unkenntlich. Ihre Sätze werden von entsprechenden Fotos aus der Google-Bildersuche begleitet. Gezeigt auf drei Handys, die in einer Schublade liegen, entsteht eine Intimität, die dem Thema der Arbeit diametral entgegensteht. Der Künstler fragt: „Was passiert hinter den Kulissen der Überwachung? Wer wertet die Bilddaten aus, wohin fließen sie?“ Das Talent der Super-Recognizer bezweifelt er. „Aber es beruhigt die Bevölkerung, wenn hinter den Algorithmen Menschen stehen.“ Dass sie mithilfe von Technologie tief in das Leben anderer hineinschauen und dabei unsichtbar bleiben können, verleiht ihnen allerdings eine enorme Macht. Doch auch die hat ihren Preis: Die Bilderflut ist schwer auszuhalten. Die Grenzen zwischen privat und öffentlich verschwimmen nicht nur für Bürger:innen, sondern auch für die Mitarbeiter:innen, die in dem Netz aus Technologie, Kommerz, Industrie, Politik und Polizei verschwinden.

Gesine Borcherdt

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Omer Fast, A Place Which Is Ripe [Ein Ort, der reif ist], 2020, Installationsansicht, 12. Berlin Biennale, Stasi-Zentrale. Campus für Demokratie, 11.6.–18.9.2022, Foto: Laura Fiorio

Ausstellungen

Double Vision, 2022, Tai Kwun, Hong Kong (HK)

Someone Else. The foreignness of children, 2022, Museum für Neue Kunst, Freiburg (DE)

Jack Davison, Omer Fast, and Frida Orupabo, 2021, Deichtorhallen Hamburg, Hamburg (DE)

Omer Fast: Continuity, 2021, Samstag Museum of Art, Adelaide (AU) (solo)

Art Feeds on Art, 2021, MOCAK – Museum of Contemporary Art in Krakow, Krakau (PL)

Der Oylem iz a Goylem, 2019, Salzburger Kunstverein, Salzburg (AT)

The Invisible Hand, 2018, Guangdong Times Museum, Guangzhou (CN) (solo)

Talking is not always the solution, 2016, Martin-Gropius-Bau, Berlin (DE) (solo)