Nil Yalter lebt und arbeitet in Paris, FR

 

Seit mehr als fünf Jahrzehnten setzt Nil Yalter die Mittel des Portapak-Videorekorders oder neuerdings der Smartphone-Kamera, der Fotografie, der Zeichnung, der Installation und des Schreibens als Methoden für das ein, was sie als eine Form der soziokritischen Forschung betrachtet. Die Autodidaktin wurde in Kairo geboren und verließ 1965 die Türkei, das Land ihrer Familie. Bis heute lebt sie im politischen Exil. Sie rückt undokumentierte oder fehl- und unterrepräsentierte Stimmen in den Mittelpunkt ihrer Kunst, beispielsweise in der gemeinsam mit der Malerin Judy Blum und der Videokünstlerin Nicole Croiset realisierten mehrteiligen Installation La Roquette, Prison de Femmes [La Roquette, Frauengefängnis, 1974–75], die aus einem Video, einem Transkript, Zeichnungen und Fotografien besteht. Über die ehemalige Insassin Mimi, die für die Arbeit eine Selbstaufnahme zur Verfügung stellte, erfahren wir etwas über den karzeralen Sexismus im französischen Gefängnis-Industriekomplex. Das Pariser Gefängnis La Petite Roquette war bis 1974 eine staatliche Infrastruktur im Zentrum einer europäischen Hauptstadt zur Bestrafung von Frauen, die ihre Rechte über ihren Körper einforderten oder gegen das antikommunistische Regime Frankreichs während des Zweiten Weltkrieges oder des globalen Kalten Krieges kämpften.

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Nil Yalter, Exile Is A Hard Job [Exil ist harte Arbeit], 2012/2022, Plakate im öffentlichen Raum, Maße variable © Nil Yalter

Auch die Arbeit Exile Is a Hard Job [Exil ist harte Arbeit, 1983/2022], die während der 12. Berlin Biennale erneut im öffentlichen Raum und in der Ausstellung realisiert wird, zeugt vom solidarischen Engagement der Künstlerin innerhalb intersektionaler Kämpfe. Die unter anderem als Plakat realisierte Reihe basiert auf Fotografien, einem Zitat und auf Video aufgenommenen Gesprächen mit Frauen und Familien aus Portugal oder der Türkei. Ihre Worte konfrontieren „die metropolitane Mehrheit“ (Nikita Dhawan) mit der Frage, was es bedeutet, im Exil zu leben. Dieses erfordert täglich harte Arbeit, um Fähigkeiten und Kenntnisse zu entwickeln, die es ermöglichen, die Gewalt des Schweigens und der Unsichtbarmachung innerhalb einer vermeintlich repräsentativen Demokratie zu überleben.

Doreen Mende

Ausstellungen

Des femmes dans l’art – Hommage à Aline Dallier, 2022, Galerie Arnaud Lefebvre, Paris (FR)

Sekron: LENS’21: Personal Narratives in Video Art, 2021, Mixer, Istanbul (TR)

Female Sensibility, 2021, Lentos Kunstmuseum Linz, Linz (AT)

So wie wir sind 3.0, 2021, Weserburg Museum für moderne Kunst, Bremen (DE)

Exile Is a Hard Job, 2019, Museum Ludwig, Köln (DE) (solo)

Trans/Humance, 2019, Musée d’Art Contemporain du Val-de-Marne, Vitry-sur-Seine (FR) (solo)

Nil Yalter, 2018, Galerie Hubert Winter, Wien (AT) (solo)