Lamia Joreige lebt und arbeitet in Beirut, LB

 

Die Geschichte mit ihren Brüchen, Widersprüchen und Fiktionen ist treibende Kraft in Lamia Joreiges facettenreichem Werk. Virtuos ergründet sie anhand ihrer Videos, Malereien, Installationen und Texte den Widerstreit zwischen individuellen und kollektiven Narrativen in ihrer Heimat Libanon. In ihrer ikonischen, seit 1999 fortlaufenden Videoreihe Objects of War [Objekte des Krieges] schildern Zeitzeug:innen ausgehend von verschiedensten totemistischen Objekten wie einem Panasonic-Radio, einem Miss-Piggy-Rucksack, einem Parfumflakon und vielem mehr ihre Erfahrungen im libanesischen Bürgerkrieg (1975–90). Beirut, Autopsy of a City [Beirut, Autopsie einer Stadt, 2010] veranschaulicht die Poetik von Vergangenheit, Gegenwart und dem Danach vor dem Hintergrund anhaltender politischer Unruhen. Die umfangreiche Installation gipfelt in einer postapokalyptischen Zukunft, in der die Stadt völlig ausgelöscht ist – warum und durch wen bleibt offen. In ihrem Spielfilm And the Living Is Easy [Und das Leben ist leicht, 2014] verkörpern fünf Laiendarsteller:innen ihre widersprüchliche Beziehung zu Beirut, einer Stadt, die gleichermaßen anziehend wie abstoßend ist.

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Lamia Joreige, After the River [Dem Fluss hinterher], 2016, 3-Kanal-Videoinstallation, gezeigt als Einzelprojektion, Farbe, Ton, 20′, Videostill © Lamia Joreige

Seit 2013 richtet Joreige ihren Blick auf den Fluss, der das Trennende in der Geschichte Beiruts verkörpert und den alten Griech:innen als Magoras bekannt war, ein physisches und psychisches Reservoir unzähliger Geschichten: phönizischer, römischer, osmanischer, französischer und anderer. Im Video After the River [Dem Fluss hinterher, 2016] lässt Joreige ihre Kamera über die Wasserfläche des Flusses schweifen. Sie erfasst das Dröhnen des täglichen Verkehrs, die informellen Märkte und das Ballett der Baukräne, während die Geschichte des angrenzenden Stadtviertels durch Immobilienspekulation und Gentrifizierung umgeschrieben wird. Vor dem Hintergrund einer Fülle von Interessen, politischen Einstellungen und Sehnsüchten wird der Fluss zum Sinnbild der Unmöglichkeit einer monolithischen Geschichtsschreibung. Denn wie ließe sich etwas in seinem Wesen so unbeständiges darstellen, ohne dabei zu scheitern?

 

Negar Azimi

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Lamia Joreige, After the River [Dem Fluss hinterher], 2016, 3-Kanal-Videoinstallation, gezeigt als Einzelprojektion, Farbe, Ton, 20′, Installationsansicht, Chapter Arts Center, Cardiff, 2017, Courtesy Artes Mundi, Jamie Woodley © Lamia Joreige

Ausstellungen

When the image is new, the world is new, 2020, Marfa’ Projects, Beirut (LB)

A Stitch in Time, 2019, Today Art Museum, Peking (CN)

Liverpool Biennial 2018: Beautiful world, where are you?, 2018, Liverpool (UK)

Under-Writing Beirut, 2017, Marfa’ Projects, Beirut (LB) (solo)

And the living is easy. Variations on a film, 2016, Musée Nicéphore Niépce, Chalon-sur-Saône (FR) (solo)