Künstler:innen
Hasan Özgür Top
Hasan Özgür Top lebt und arbeitet in Istanbul, TR
The Fall of a Hero [Der Fall eines Helden, 2020] spielt in einem Verhörraum und zeigt einen Verdächtigen (dargestellt vom Künstler selbst), der einer Stimme aus dem Off die Rekrutierungsmaterialien des Islamischen Staates beschreibt sowie die Art und Weise, wie diese eine vertraute postlapsarische Darstellung konstruieren. Ein Aufruf zur Wiederherstellung des Ruhms nach einem vermeintlichen Sündenfall wird in der Sprache moralischer Dringlichkeit formuliert: Macht das Kalifat wieder groß! Wir erfahren, dass der IS in seinen Propagandamaterialien die Schriftart Trajan verwendet, die für die Vermarktung von Hollywood-Filmen und Videospielen wie Herr der Ringe und Assassin’s Creed genutzt wird. Doch die Überschneidungen mit der Popkultur enden hier nicht: Weitere Themen sind homophobe Homosozialität, Geschichte als endloser Kampf gegen die Dekadenz, Gewalt als apotropäisches Heilmittel und heroische Männlichkeit als Lösung statt toxischer Männlichkeit als Problem.

Hasan Özgür Top, The Fall of a Hero [Der Fall eines Helden], 2020, Full-HD-Video, Farbe, Ton, 14’48’’, Videostill © Hasan Özgür Top

Hasan Özgür Top, The Fall of a Hero [Der Fall eines Helden], 2020, Full-HD-Video, Farbe, Ton, 14’48’’, Videostill © Hasan Özgür Top
Die Perspektive, die sich aus The Fall of a Hero ergibt, ist ein starkes Korrektiv zu den Erzählungen über den „Kampf der Kulturen“. Der Islamische Staat ist nicht ikonoklastisch, sondern ikonophil: Seine Strategie ist vollständig vom Management der Bilder und des Selbstbildes abhängig. Die Organisation beteiligt sich, wenn auch verdeckt, an einem globalen visuellen Dialog über Nihilismus und Männlichkeit. Hasan Özgür Top zeichnet die Affektmuster nach, die der erfolgreichen Mobilisierung und Militanz des IS zugrunde liegen, und zeigt die Überschneidungen mit anderen kriegsverherrlichenden politischen Projekten auf, wie etwa dem Faschismus des frühen 20. Jahrhunderts. Vor allem aber stellt der Künstler die Politik des IS nicht als archaisch und rückständig dar, sondern als herausragendes Beispiel für das, was die US-amerikanische Autorin und Urbanistin Keller Easterling als „extrastatecraft“ bezeichnet hat: die zahlreichen halbstaatlichen oder nichtstaatlichen Kräfte, die unter den Bedingungen der Globalisierung genügend Macht und administrative Autorität erlangt haben, um den Aufbau von Infrastrukturen zu betreiben. Aus dieser Perspektive kann der IS auch Einblicke in die Verflechtungen aufständiger Strukturen mit Untergrundökonomien, digitalen Plattformen und transnationalen Finanzen als Symptom der neuen globalen Ordnung geben.
Ana Teixeira Pinto
Ausstellungen
A Few in Many Places, 2020, Skalitzer Str. 114, Berlin (DE)
37th Torino Film Festival, 2019, Turin (IT)
Protocinema at Proyecto AMIL, 2018, Centro Comercial Camino Real, Lima (PE)
If You Can’t Go Through The Door, Go Through The Window, 2016, Alt Art Space, Istanbul (TR)
Our current stance, 2015, 5533, Istanbul (TR)