Dubréus Lhérisson lebt und arbeitet in Port-au-Prince, HT

Knochen und Schädel von geheiligten Tieren oder Ahnen waren in der Voodoo-Tradition schon immer begehrt. Sie wurden entweder verwendet, um durch sie Beistand zu erlangen oder als Zeichen fortdauernder Gegenwart der Toten unter den Lebenden. Dabei wird die Grenze zwischen Leben und Tod ebenso wenig gezogen wie die zwischen Heiligem und Profanem. Menschen und Geister bewegen sich von einer Welt in die andere, und der Friedhof ist nur eine Eintrittspforte oder ein Ausgang.

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Dubréus Lhérisson, Ohne Titel, um 2015, verschiedene Materialien; Schädel, Pailletten, 16 × 12 × 22 cm, Courtesy Espace Lally

In jungen Jahren erlernte Dubréus Lhérisson im Tempel des Voodoo-Priesters Tibout das Herstellen von paillettenbesetzten Voodoo-Flaggen – heilige Gegenstände, die bei religiösen Zeremonien verwendet werden –, aber längst auch überall erhältlich sind. Nach dem Tod seines Mentors übernahm Dubréus die Werkstatt und begann, Paillettenkostüme für Rara-Straßenumzüge herzustellen. Zusammen mit David Boyer erprobte er später die Technik an anderen Formen, insbesondere an Bizango-Statuen, die nach einem Geheimbund in Haiti benannt sind. Nach und nach diversifizierte Dubréus seine Materialien und verwendete gepolsterten Stoff, Knochen, Holz, Metall und Spiegel, um einzigartige, mit Pailletten besetzte Gegenstände zu schaffen.

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Dubréus Lhérisson, Ohne Titel, um 2015, verschiedene Materialien; Schädel, Pailletten, 26 x 12 x 20 cm, Courtesy Espace Lally

 

Am 12. Januar 2010 kamen bei einem Erdbeben in Haiti mehr als 300 000 Menschen ums Leben, die Straßen von Port-au-Prince waren mit Leichen übersät, der Tod lauerte in jeder Ecke. In diesem Jahr eröffnete Dubréus ein eigenes Studio in Léogâne, wo er die Kunst des Recyclings weiter erforscht und Kinderpuppen, Muscheln, Spiegel und Schädel in seine Arbeiten integriert. Diese Schädel haben die heilige Stätte der Friedhöfe und Tempel verlassen und sind in das Atelier des Künstlers gewandert, wo sie mit Pailletten und Glitter verziert ein zweites Leben erhalten. Dubréus gilt seither als der Künstler der glitzernden Totenköpfe. Das Chaos, das auf dem Friedhof von Port-au-Prince herrscht, lässt vermuten, dass es in Haiti keine Ruhe für die Toten gibt.

Giscard Bouchotte

Ausstellungen

Sacred Diagrams: Haitian Vodou Flags from the Gessen Collection, 2019, Tampa Museum of Art, Tampa (US)

PÒTOPRENS: The Urban Artists of Port-au-Prince, 2018, Pioneer Works, New York City (US)

Art et vaudou, 2017, Les Ateliers Jérôme, Pétion-Ville (HT)

Haïtopia, Haïti and the Politics of Revolution and Representation, 2016, Caribbean Studies Association, Maison Dufort, Port-au-Prince (HT)