Amal Kenawy †

Die Eindrücke, die das Werk von Amal Kenawy vermitteln, lassen sich kaum von der persönlichen Geschichte der Künstlerin und ihrer zarten und zerbrechlichen Verfasstheit trennen. Die Schleier der Qualen durchziehen auch ihre Zeichnungen, Gemälde, Videos und Performances.

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Amal Kenawy, aus dem Konvolut an Zeichnungen, Skizzen, Fotografien und Notizen zu unterschiedlichen Projekten der Künstlerin, verschiedene Daten, verschiedene Größen © Sharjah Art Foundation Collection und Amal Kenawy Estate c/o Darat al Funun; The Khalid Shoman Foundation, Amman

 

Zu Beginn ihrer Karriere arbeitete Kenawy mit ihrem älteren Bruder Abdel Ghan zusammen und schuf Skulpturen, Installationen und Videos, die von der Kritik gefeiert wurden. Ihre bedeutendsten und herausragendsten Werke – The Room [Das Zimmer, 2003], The Journey [Die Reise, 2004], The Purple Artificial Forest [Der violette künstliche Wald, 2005], You Will Be Killed [Du wirst getötet werden, 2006] und Silence of Sheep [Schweigen der Schafe, 2010] – entstanden jedoch in Eigenregie. Kenawy wollte das innere, das unbewusste Gedächtnis der Angst vor andauernder Gewalt, die Demütigung durch Unterwerfung, die Monstrosität der Gleichgültigkeit, die Entkörperlichung und Zersetzung eines korrodierten politischen und sozialen Körpers zum Ausdruck bringen und ihn repräsentieren. Sie projizierte ihren eigenen Körper, abgetrennte Gliedmaßen, freiliegende Organe, Tierkadaver zusammen mit geradezu schaurigen symbolischen Dingen wie einem Hochzeitskleid, Stromleitungen, Bäumen, Ratten, Schmetterlingen. Mit diesen archetypischen Allegorien, die sich zu traumartigen Kompositionen fügen, ergründete Kenawy die gelebte Erfahrung einer auf Repression, Stillschweigen und Unterwerfung beruhenden, am Rande zu ihrer Auflösung stehenden sozialen Ordnung. Ihre künstlerische Praxis wurde in Zusammenhang mit der Poetik des Surrealismus gebracht; sie selbst jedoch fühlte sich dem Expressionismus näher.

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Amal Kenawy, aus dem Konvolut an Zeichnungen, Skizzen, Fotografien und Notizen zu unterschiedlichen Projekten der Künstlerin, verschiedene Daten, verschiedene Größen © Sharjah Art Foundation Collection und Amal Kenawy Estate c/o Darat al Funun; The Khalid Shoman Foundation, Amman

Auf der 12. Berlin Biennale wird neben The Purple Artificial Forest und Silence of Sheep eine Auswahl von Blättern aus dem Skizzenbuch der Künstlerin gezeigt. Diese bietet die seltene Gelegenheit zu einem bewegenden Streifzug durch die sinnliche und visuelle Innenwelt der Künstlerin und ihren Arbeitsprozess. Bisweilen sind die Blätter von Einschreibungen durchzogen, die von den persönlichen Kämpfen Kenawys angesichts des Zerbrechens ihrer Ehe und ihres Ringens mit dem Krebs zeugen. Im Gegensatz zur aufwühlenden Emotionalität der intimen Welten der Künstlerin wollen The Purple Artificial Forest und Silence of Sheep Unbehagen und Unwohlsein hervorrufen. In der ersten Arbeit verschlingen lebende und unbelebte Elemente einander in einem steten Kreislauf von Zerstörung und Erneuerung. Silence of Sheep hingegen ist eine kühne Performance und wohl Kenawys am weitesten schauendes Werk. Während der Dreharbeiten in den Straßen der Kairoer Innenstadt sorgte es für Proteste und brachte die Demütigung zum Ausdruck, die in der blinden Erduldung von Unterwerfung liegt. Aufgenommen wurde die Performance kurz bevor genau dieselben Straßen zum Schauplatz der Tahrir Revolution des Jahres 2011 werden sollten.

Rasha Salti

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Amal Kenawy, aus der Serie Empty Skies – Drawing Emotions [Leere Himmel – Emotionen zeichnen], 2008, Filzstift, Tusche auf Papier [Maße unbekannt], Courtesy Sharjah Art Foundation © Sharjah Art Foundation Collection und Amal Kenawy Estate c/o Darat al Funun; The Khalid Shoman Foundation, Amman

Ausstellungen

Our World is Burning, 2020, Palais de Tokyo, Paris (FR)

In Rebellion. Female Narratives In The Arab World, 2017, Institut Valencià d’Art Modern, Valencia (ES)

You will be Killed, 2008, ifa-Galerie Berlin, Berlin (DE)

Empty skies-Wake up, 2008, La Galerie B.A.N.K, Paris (FR) (solo)

Sharjah Biennial 8: Still Life – Art, Ecology and the Politics of Change, 2007, Sharjah (AE)

1st Singapore Biennale: Belief, 2006, Singapore (SG)

Some Stories, 2005, Kunsthalle Wien, Wien (AT)